Fastenpredigten 1958

Kreuzesheilige

1. Mit Jesus im Garten Gethsemani

Wieder haben wir die Fastenzeit begonnen. Und sie soll – nach der Weisung der unbefleckt empfangenen Gottesmutter vor 100 Jahren in Lourdes – ganz besonders eine Zeit des Gebetes und der Buße sein in Vereinigung mit dem leidenden Heiland, der für uns alle dem himmlischen Vater Sühne geleistet hat...

Damit euch allen das besser gelinge, im Auftrag der Gottesmutter die Fastenzeit zu einer Zeit des Gebetes und der Buße in Vereinigung mit dem leidenden Heiland zu machen, möchte ich euch in den Fastenpredigten an den Mittwoch-Abenden Anregungen geben.

Ich möchte euch diesmal an konkreten Beispielen zeigen, wie Heilige nicht bloß in der Fastenzeit, sondern während ihres ganzen Lebens durch Gebet und Buße zusammen mit dem leidenden Heiland dem himmlischen Vater Sühne geleistet haben für die Sünden der Menschen.

Passionsheilige, Kreuzesheilige möchte ich in den Fastenpredigten vor euch hinstellen, um euch an solch heiligen Vorbildern zu zeigen, wie auch wir durch Gebet und Buße uns dem leidenden Heiland anschließen und zusammen mit ihm für die Sünden der Menschen, zu allererst für die eigenen, dem himmlischen Vater Sühne leisten sollen.

Da möchte ich heute zuerst einmal eine jugendliche Heilige vor euch hinstellen, die in der kurzen Lebenszeit von 25 Jahren zu einer großen Passions- und Kreuzesheiligen herangereift ist: Gemma Galgani.

Vielleicht habt ihr von dieser Heiligen noch nie gehört, aber ich meine, es lohnt sich, von ihr zu erfahren, zumal ja diese Heilige mit ihren Lebensjahren noch in unser Jahrhundert hereinragt. Die hl. Gemma Galgani wurde erst 1940 von Papst Pius XII. heiliggesprochen. Gelebt aber hat sie von 1878 bis 1903.

Sie wurde am 12. März 1978 in Cimigliano bei Lucca als 4. Kind eines Apothekers geboren. Sie erhielt in der hl. Taufe den schönen Namen Gemma=Edelstein und sie war auch wirklich ein Edelstein in ihrer Herzensreinheit, in ihrer Frömmigkeit, in ihrer Opfer- und Leidensbereitschaft und vor allem in ihrer Liebe zum leidenden Heiland, dem sie in vieler Hinsicht, auch sogar durch die Wundmale, ähnlich werden durfte.

Gemma war ein ganz besonders begnadetes Kind, begnadet schon dadurch, dass sie überaus fromme, echt christliche Eltern besaß. Vor allem die Mutter war eine vorbildliche frau, die in die Herzen ihrer Kinder, vor allem in das der Gemma einen ganz tiefen Glauben einpflanzte und vor allem eine ganz innige Verehrung zur Gottesmutter und eine ganz große Liebe zum gekreuzigten Heiland. Und eigenartig: wenn die Mutter der kleinen Gemma vom Leiden Christi zu erzählen begann, konnte es dem Kind nie lang genug dauern. Da lockten dann kein Spiel und keine sonstige Zerstreuung. Immer wieder bettelte Gemma: „Mutter, erzähle mir noch etwas von Jesus!“

Leider starb diese fromme Mutter, als Gemma erst acht Jahr alt war. Die Schule besuchte Gemma bei den Ordensschwestern von der hl. Zita. Hier wurde das wertvolle Erbe, das Gemma von der frommen Mutter übernommen hatte, noch vertieft. Immer größer wurde in dieser Zeit Gemmas Liebe zum Heiland und ihre Sehnsucht, ihn ins Herz aufzunehmen. Ihr wisst ja, dass damals die Kinder nicht so früh zur ersten hl. Kommunion gehen durften wie heute. Als Gemma 10 Jahre alt war, hielt sie es nicht mehr aus vor Sehnsucht nach der hl. Kommunion: „Gebt mir Jesus! Ich halte es nicht mehr aus ohne ihn!“ So bettelte und bat sie, bis ihr endlich die Erlaubnis zur ersten hl. Kommunion ein Jahr früher als es üblich war, gegeben wurde.

Das Glück und die Seligkeit dieser ersten Begegnung mit dem Heiland lassen sich nicht schildern. Gemma war jedenfalls voll der besten Vorsätze für die ganze Zukunft.

Sie hat uns in ihren Selbstbekenntnissen selbst diese Vorsätze aufgeschrieben.

Gemma spricht dann von ihrer Bekehrung, in der sie durch eine gründliche Generalbeichte alles in Ordnung brachte. Dabei handelte es sich doch nur um kleine Kinderfehler, niemals um eine schwere Sünde. Und doch litt sie fortan unter diesen Sünden sehr, weil sie in ihrem zarten Gewissen zu klar erkannte, wie sie dadurch auch Gott beleidigt und das Leiden des Heilands vermehrt habe. Das Leiden des Heilands war fortan erst recht ihr Lieblingsbetrachtungsgegenstand und sie bemühte sich, dem Heiland Sühne zu leisten für die eigenen Sünden und für die Sünden der Menschen. Um dem Heiland Ersatz zu leisten für die große Kälte und Undankbarkeit der Menschen, suchte Gemma auf den Rat ihrer Lehrerin hin, sich Opfer aufzuerlegen und strenge Abtötungen der Augen, der Zunge, der anderen Sinne, vor allem des eigenen Willens. Sie, die von sanguinischem Temperament und sehr lebhaft war, kämpfte mit unglaublicher Energie und Strenge gegen allen Eigensinn. Die Kraft zu allen Opfern holte sich Gemma fast täglich in der hl. Messe und hl. Kommunion. So ging die Schulzeit für sie zu Ende. Sie wurde als Beste der Schule mit einer Goldprämie 1894 aus der Schule entlassen. Daheim sollte sie noch weiter zu einer tüchtigen Hausfrau ausgebildet werden. Immer mehr steigerte sich in dieser Zeit ihre Liebe zum gekreuzigten Heiland.

In dieser Zeit war es, dass sie vom Vater den ersten Schmuck geschenkt bekam und sich damit zu zieren anfing. Da sah sie ihren Schutzengel sichtbar an ihrer Seite, der sie mahnte und warnte und ihr sagte: „Bedenke doch, dass die Schmuckstücke, die eine Braut des gekreuzigten Königs zieren, keine anderen sein können als Dornen und Kreuz!“

Von da an trennte sich Gemma von jedem äußeren Schmuck für immer. Ganz schlicht und einfach kleidete sie sich. Sie wusste, dass der schönste Schmuck eines Mädchens seine Herzensreinheit ist. Diese bewahrte sie unverletzt. Ihr Seelenführer konnte nach ihrem Tod aussagen, dass Gemma wohl nie durch eine schwere Sünde die Taufunschuld verloren habe.

Die Braut des gekreuzigten Königs muss sich mit Dornen und Kreuz schmücken! Wie wahr wurde das gar bald:

Gemma, die anstelle der verstorbenen Mutter nun Hausmütterchen in der Familie war - zur vollen Zufriedenheit aller, erkrankte, als sie 19 Jahre alt war, - es war im Jahre 1897 – schwer an Knochenbrand in einem Fuß. Es kam zu einer recht schmerzlichen Operation, die ohne Betäubung an ihr vorgenommen wurde.

Durch die lange Krankheit und die Operation Gemmas war der Vater in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Dann erkrankte der Lieblingsbruder Gemmas, Alois, der sich im Priesterseminar auf die Priesterweihe vorbereitete. Er starb zum ganz großen Leidwesen Gemmas. Einige Wochen später erkrankte auch der Vater und starb schließlich an Halskrebs. Nun waren Gemma und ihre Geschwister Vollwaisen. Es kam zur Schließung der Apotheke, zur Delogierung der Waisenkinder. Und schließlich erkrankte Gemma ein zweites Mal, diesmal noch viel schwerer: an Rückenmark-Tbc., Hirnhautentzündung, Lähmung. Schon rechnete man mit dem Ableben Gemmas. Da wurde sie plötzlich auf die Fürbitte des hl. Gabriel Possenti wunderbar geheilt.

Von da an wuchs Gemmas Leidensbereitschaft und ihre Liebe zum leidenden Heiland noch ganz gewaltig. Eine Übung, um sich recht tief ins Leiden des Heilands zu versenken, gewöhnte sie sich nun an und bekam sie besonders lieb: Die Hl. Stunde!

Es war Gründonnerstag 1899. Sie war ganz ins betrachtende Gebet versunken. Da sah sie plötzlich den gekreuzigten, aus allen Wunden sein Erlöserblut vergießenden Heiland vor sich. Er sagte zu Gemma: „Schau her, meine Tochter und siehe, wie man liebt! Siehst du dieses Kreuz, diese Dornen und Nägel, diese Beulen und Schrammen, diese Wunden? Sie alle sind das Werk der Liebe, und zwar einer unendlichen Liebe. Siehe, wie weit meine Liebe zu dir gegangen ist! Willst du mich wirklich lieben? Dann lerne zuerst leiden. Das Leiden lehrt dich lieben.“

Von da an war Gemmas einziger Gedanke, ihre einzige Leidenschaft, Jesus dem Gekreuzigten ähnlich zu werden, mit ihm zu leiden und zu sühnen.

Fromme Leute (eine kinderreiche Familie namens Giannini) hatten inzwischen Gemma adoptiert und sich ihrer angenommen. So war sie äußerlich versorgt. Innerlich aber wuchs in diesen Wochen und Monaten ihr Liebesleiden ins Ungeheure.

Eines Tages sagte der Heiland zu ihr nach der hl. Kommunion, die sie täglich empfing: „Mut, Gemma, ich erwarte dich auf Golgotha, auf jenem Berg, dem du entgegenschreitest!“

Der 8. Juni 1899, Vorabend vom Herz-Jesu-Fest kam. Da wurde Gemma gewürdigt, dem gekreuzigten Heiland auch äußerlich ähnlich zu werden. Sie empfing die Wundmale an Händen und Füßen und an der Seite. Jeden Donnerstag, 8 Uhr abends, öffneten sich die Wunden und begannen zu bluten. Und sie bluteten bis zum Freitag jeder Woche 3 Uhr nachmittags. Zwei Jahre lang dauerte das. Dann hörte dieser wunderbare Vorgang plötzlich auf, weil sie in Gehorsam auf Befehl ihres Beichtvaters den Heiland gebeten hatte, dieses äußerlich sichtbare Leiden mit ihm von ihr zu nehmen.

Aber in den genannten zwei Jahren hat Gemma als Braut des gekreuzigten Blutbräutigams Christus Woche für Woche sichtbar das Leiden des Herrn miterlebt: zuerst die Todesangst am Ölberg, dann die Geißelung, die Dornenkrönung und dann immer durch das Bluten der Wundmale die Kreuzigung.

In dieser Zeit erwachte in Gemma auch die Sehnsucht, Gott zu dienen im Ordensstand. Sie legte privat für sich die hl. Gelübde ab und suchte die Aufnahme in eine Ordensgemeinschaft zu erhalten. Aber sie wurde nicht genommen. Ihre Aufgabe war es, in der Welt Opfer-und Sühneseele zu sein in Verbundenheit mit dem gekreuzigten Heiland. In ihrer Heilandsliebe und in ihrer Leidensbereitschaft sagte sie zum Herrn:

„Jesus, mach mich immer mehr dir ähnlich und lass mich mit dir leiden! Erspare mir nichts! Du leidest (für die Sünden der Menschen). Lass mich an deinem Sühneleiden teilnehmen. Du bist der Mann der Schmerzen. Ich will deine Tochter des Schmerzes sein!“

Bei allem Leiden blieb Gemma der frohe, liebenswürdige, hilfsbereite Mensch, der nie an sich, immer nur an andere dachte. Ihre Lebensaufgabe sah sie darin, durch Sühne, durch Gebet und Buße Sündern die Gnade der Bekehrung zu erwirken und mit dem gekreuzigten Heiland zu sühnen und zu leiden.

Alle Tugenden, die einen Christen (vor allem einen jungen Christen) zieren sollen, übte sie in heroischem, heldenhaftem Maße: die Demut, den Gehorsam, die Geduld, die Liebe, die Herzensreinheit, die Frömmigkeit, den Seeleneifer!

Dadurch –und nicht etwa durch die außerordentlichen Geschehnisse in ihrem Leben, die ungemein zahlreich sind – ist sie strahlendes Vorbild der weiblichen Jugend, eine Jugendheilige geworden, die es ganz prächtig verstanden hat, Christus den Gekreuzigten zu lieben, nachzuahmen, ihm nachzufolgen im Leiden und Sühne zu leisten für die Sünden des Leichtsinns, der Oberflächlichkeit, der Vergnügungssucht, der Unkeuschheit und Lasterhaftigkeit...

Zu Pfingsten 1902 offenbarte ihr der Heiland in einer großen Vision, wie krank die Welt in ihren Sünden ist. Der Heiland sagte ihr da folgendes:

„Meine Tochter, wie viel Undank und Schlechtigkeit gibt es doch in der Welt! Die Sünder leben in hartnäckiger Verstockung in ihren Sünden weiter und mein Vater will sie nicht mehr dulden. Die feigen und schwachen Seelen aber wenden keine Kraft an, ihr Fleisch zu besiegen; die betrübten Seelen verfallen in Bestürzung und Verzweiflung, die eifrigen Seelen werden nach und nach lau, auch die Diener meines Heiligtums... Die Gleichgültigkeit wächst mit jedem Tag mehr und mehr und niemand bessert sich. ... Niemand kümmert sich mehr um meine Liebe und mein Herz ist vergessen. Es ist, als hätte ich nie Liebe für sie gehabt, als hätte ich nie etwas für sie gelitten, als sei ich allen unbekannt...“ Und der Heiland bittet dann Gemma um ihr Mitleiden, um ihr Sühneleiden. Und er sagte ihr noch: „Ich brauche eine große Sühne, insbesondere für die Sünden und Sakrilegien, mit denen ich mich von den Dienern des Heiligtumes beleidigt sehe!“

Gemma bietet sich daraufhin ganz und gar dem Heiland an: Er möge über sie seinen Zorn ausgießen und möge sich durch sie, durch ihr Leiden verherrlicht sehen!

Und eigenartig: Gemma, die die letzten Monate in blühender Gesundheit verbracht hatte, wird plötzlich wieder sehr krank. Gott nimmt ihr großmütiges Opfer an. Magenverschluss! 60 Tage völlige Nahrungslosigkeit. Dazu äußere und innere Qualen.

Am Karsamstag des Jahres 1903, 11. April, starb Gemma, nachdem sie am vorausgegangenen Karfreitag noch das Äußerste mit Christus gelitten hatte. Im Sturmeslauf eroberte sich die frühvollendete Leidensbraut Christi die Ehre der Altäre: 1920 Beginn des Seligsprechungsprozesses, 1933 Seligsprechung, 1940 Heiligsprechung!